Wenn ein Produkt gut ist, reicht eine Übersetzung und die Lokalisierung von Content aus? Nicht, wenn es nach chinesischen Verbraucher:innen geht. In China ist Guochao (国潮) ein großes Thema – der Begriff beschreibt das Interesse, insbesondere der chinesischen Gen Z, für chinesische Kultur, Traditionen und auch Marken.
Den Ursprung hat der Trend in der Modeindustrie und hat sich in den letzten zwei Jahren zu einem wichtigen Marketing-Aspekt in allen Branchen entwickelt. Guochao bedeutet nicht, dass ausländische Marken sich nicht mehr etablieren können, aber chinesische Verbraucher:innen suchen aktiv nach Produkten, die sie kulturell ansprechen und ihren Bedürfnissen und Vorlieben entsprechen. Viele Marken, hauptsächlich aus dem Luxussegment, haben sich eine Guochao-Strategie schon erfolgreich zunutze gemacht, indem sie betont chinesische Elemente in ihre Produkte oder Werbemaßnahmen integriert haben. Aber ohne fundierte Recherche und Beratung etwas vermeintlich Chinesisches zu entwerfen und auf eine Kampagne oder Produkt zu stülpen, ist ein großes Risiko und kann unter Umständen dazu führen, dass die Marke in der öffentlichen Wahrnehmung gecancelt wird. So hat beispielsweise Dolce & Gabbana, nachdem die Darstellung chinesischer Models 2018 in einer Kampagne als respektlos empfunden wurde, drei Jahre nach dem Marketing-Missgeschick immer noch mit den Folgen zu kämpfen und ist bis heute nicht auf den großen e-Commerce-Plattformen erhältlich.
Wie macht man es richtig? Als internationale Marke muss man strategisch vorgehen, wenn man ein chinesisches Publikum ansprechen und begeistern will. Firmen können durchaus von diesem Trend profitieren, wenn sie richtig beraten werden. Durch die Zusammenarbeit mit lokalen chinesischen Partner:innen kann jede Marke Guochao-Elemente für sich nutzen. Zum Beispiel können chinesische Designer:innen dabei helfen, die traditionellen Nuancen von Farben und Symbolen auszudrücken und chinesische Marketing-Expert:innen eine Strategie entwickeln, mit der nicht nur passende Botschaften definiert, sondern auch der richtige Ton getroffen wird. Wie das Prinzip erfolgreich umgesetzt werden kann, zeigen einige Beispiele: Tiffany & Co. hat ein Mahjongg-Set designt, und damit ein Produkt mit ins Sortiment aufgenommen, das kulturell tief verwurzelt ist, Adidas und Nike launchen jährlich zum chinesischen Neujahr Kollektionen, die sich an den Tierkreiszeichen und anderen Symbolen zum Neujahr orientieren und eine Taschenkollektion von Balenciaga zum Valentinstag überzeugte Käuferinnen mit chinesischen Schriftzeichen als Gestaltungselementen.
Es kann also sowohl das Produktportfolio erweitert, kleinere Designänderungen vorgenommen oder, wenn an Produkten nichts verändert werden kann, die Werbemaßnahmen zielgerichtet angepasst werden. Die Themenbereiche, aus denen Marken schöpfen können, sind vielfältig und groß: Was sind Stoffe und Texturen, Namen, Schriftzeichen und Kalligrafie-Elemente, Kunst, Literatur und Architektur sowie Geschichte, die typisch chinesisch sind und in Verbindung mit der eigenen Marke funktionieren? Für Marken aus dem FMCG-Sektor spielen zudem typische Geschmäcker, Düfte und Inhaltsstoffe eine wichtige Rolle.
Was wichtig zu verstehen ist: Teil des Guochao-Trends für Konsument:innen ist es zwar durchaus auch, chinesische Marken zu kaufen, aber auf keinen Fall eine generelle Ablehnung ausländischer Marken. Internationale Marken sollten es als Chance begreifen, ihre Maßnahmen auf den Geschmack und die Bedürfnisse chinesischer Verbraucher:innen anzupassen und die Lokalisierung über das übliche Marketing hinaus, bis in die Produktentwicklung mitzudenken, um erfolgreicher zu werden.